COVID-19-Pandemie: Historisch niedrige Bettenauslastung

2022-12-08 12:00:25 By : Ms. Doctor Tang

Eine Auswertung der Krankenhausdaten zeigt, dass die Fallzahlen im Jahr 2020 um 13 Prozent gesunken sind. Dabei sind die Rückgänge umso ausgeprägter, je weniger dringend eine Behandlung gewesen wäre. Deutliche Unterschiede gibt es auch zwischen den verschiedenen Bettengrößenklassen.

Um die Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung der Krankenhäuser in der Coronapandemie bewerten zu können, wurden die Krankenhäuser in Deutschland dazu verpflichtet, ihre Daten auch unterjährig an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zu übermitteln. Die vorliegende Analyse wertet diese Daten für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2020 aus und vergleicht sie mit den Daten des Vorjahres.

Demnach sank die Zahl der nach DRG abgerechneten Behandlungsfälle um 13 Prozent von 19,2 auf 16,8 Millionen Fälle. Bis zur 10. Kalenderwoche (2. bis 8. Februar) gingen die Fallzahlen um zwei Prozent zurück, zwischen den Kalenderwochen 11 und 21 (9. März bis 24. Mai) um 30 Prozent und zwischen den Kalenderwochen 22 bis 50 (25. Mai bis 13. Dezember) um zehn Prozent. Dabei war der Rückgang bei den kleineren (bis 299 Betten) und mittleren (300 bis 599 Betten) Krankenhäusern ausgeprägter als bei den größeren (ab 600 Betten).

Die mittlere Verweildauer verlängerte sich im DRG-Bereich insgesamt um ein Prozent von 5,98 auf 6,02 Tage. In den kleinen Krankenhäusern sank die Verweildauer um 0,09 Tage, während sie in den großen um 0,14 Tage zunahm. Die Verweildauertage gingen fast so stark zurück wie die Fallzahlen: um zwölf Prozent. Bei den kleinen Krankenhäusern betrug der Rückgang dabei 15 Prozent, bei den mittleren 13 Prozent und bei den großen elf Prozent.

Durch den Rückgang der Verweildauertage sank auch die Bettenauslastung deutlich: im DRG-Bereich insgesamt von 75,1 Prozent im Jahr 2019 auf ein historisches Allzeittief von 67,3 Prozent im vergangenen Jahr. Dabei sank die Bettenauslastung in den kleinen Krankenhäusern um 9,7 Prozentpunkte auf 62,1 Prozent, in den mittleren um 8,3 Prozentpunkte auf 66,3 Prozent und in den größeren um 7,0 Prozentpunkte auf 71,2 Prozent.

Deutliche Unterschiede zwischen den Bettengrößenklassen gab es auch bei den Verweildauertagen auf den Intensivstationen. Während die Zahlen in den kleinen Häusern um fünf Prozent und in den mittleren um zwei Prozent zurückgingen, stiegen sie in den großen Häusern um ein Prozent an. Die Zahl der dem InEK gemeldeten Intensivbetten erhöhte sich von 26 581 im Jahr 2019 auf 26 787 im vergangenen Jahr. In den kleinen Krankenhäusern sank die Anzahl der Intensivbetten dabei um sieben Prozent von 6 697 auf 6 237. Insofern stieg die Intensivbettenauslastung in den kleinen Krankenhäusern trotz des Rückgangs an Verweildauertagen auf 63,6 Prozent. Demgegenüber sank die Intensivbettenauslastung in den großen Krankenhäusern aufgrund der zusätzlich aufgestellten Betten auf 71 Prozent. Denn in den großen Häusern stieg die Zahl der Intensivbetten um fünf Prozent von 11 543 auf 12 076.

Insgesamt wurden im Jahr 2020 172 248 Behandlungsfälle mit der Nebendiagnose U07.1 (COVID-19, Virus nachgewiesen) behandelt. Dabei handelt es sich um Fälle, nicht um Personen, da verlegte Patienten mehrfach zählen. Anhand von AOK-Daten bis Ende Juli 2020 wurde analysiert, dass 10,8 Prozent aller stationären COVID-19-Fälle mindestens einmal verlegt wurden. Unter den beatmeten Patienten waren es 31,9 Prozent.

Die im Krankenhaus behandelten COVID-19-Patienten waren im Median 71 Jahre alt. Von allen 172 248 Fällen wiesen 26 268 einen intensivmedizinischen OPS-Komplexkode (8–980, 8–98f) auf. Die durchschnittliche Verweildauer dieser Patienten betrug 20,3 Tage, davon 11,0 auf einer Intensivstation. 120 COVID-19-Patienten wiesen einen OPS-Kode für eine intensivmedizinische Komplexbehandlung bei Kindern auf. Weitere 10 037 Fälle wurden in Intensivbetten behandelt, aber nicht mit einem intensivmedizinischen OPS-Komplexkode abgerechnet. Insgesamt wurden insofern 36 305 Fälle (21,1 Prozent aller COVID-19-Patienten) mit der Nebendiagnose U07.1 auf Intensivstationen behandelt. 17 376 von ihnen (10,1 Prozent aller Fälle und 47,9 Prozent der intensivmedizinisch behandelten Fälle) wurden dabei für mindestens sechs Stunden beatmet.

Die mittlere Verweildauer der Behandlungsfälle mit COVID-19 lag bei 11,2 Tagen, sodass im Laufe des Jahres 2020 1,93 Millionen Verweildauertage erbracht wurden. Das sind 1,9 Prozent aller Verweildauertage in deutschen Krankenhäusern. Da in der zweiten Dezemberhälfte jeden Tag rund 2 000 stationäre Aufnahmen von COVID-19-Patienten stattgefunden haben, ist davon auszugehen, dass am 31. Dezember noch über 20 000 COVID-19-Patienten stationär behandelt wurden, die hier nicht berücksichtigt sind. Die Gesamtzahl der Verweildauertage dürfte daher bei knapp über zwei Millionen und damit bei zwei Prozent aller Verweildauertage gelegen haben. Gemessen an der vorhandenen Bettenkapazität ergibt sich daraus eine durchschnittliche Belegungsquote von 1,3 Prozent durch COVID-19-Patienten. Die höchsten tagesbezogenen Belegungsquoten gab es in der zweiten Dezemberhälfte mit knapp fünf Prozent aller Betten.

Die mittlere Verweildauer der COVID-19-Patienten auf der Intensivstation lag bei Fällen mit Komplexbehandlung bei 11,0 Tagen und bei Fällen ohne Komplexbehandlung bei 4,3 Tagen – im Mittel insofern bei 9,1 Tagen. Daraus ergeben sich rund 330 000 Verweildauertage und damit 4,9 Prozent aller Verweildauertage auf Intensivstationen. Unter Berücksichtigung der geschätzten Überliegerzahlen ergeben sich circa 350 000 Verweildauertage sowie 5,2 Prozent aller Verweildauertage auf Intensivstationen. Bezogen auf alle vorhandenen Intensivbetten ergibt sich daraus eine durchschnittliche Belegungsquote von 3,4 Prozent beziehungsweise 3,6 Prozent durch COVID-19-Patienten.

Im Krankenhaus verstarben 30 307 COVID-19-Patienten und damit rund 75 Prozent der circa 40 000 Menschen, die laut Robert Koch-Institut im Jahr 2020 an oder mit COVID-19 verstarben. Von den intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten starben dabei 12 325 Menschen. Somit sind etwa 30 Prozent der insgesamt an COVID-19 verstorbenen Personen im Krankenhaus mit einer Intensivbehandlung gestorben, weitere fast 45 Prozent während eines stationären Aufenthaltes ohne Intensivbehandlung und 25 Prozent außerhalb des Krankenhauses.

Die Verteilung der stationär behandelten COVID-19-Patienten auf die deutschen Krankenhäuser erfolgte im Verhältnis zu deren Bettenzahl relativ gleichmäßig. Unterproportional wenige Patienten wurden vor allem in den 538 Krankenhäusern mit bis zu 149 Betten behandelt. Ein überproportionaler Versorgungsanteil wurde hingegen in den 171 Krankenhäusern mit 300 bis 399 Betten beobachtet, die 17 Prozent der Behandlungsfälle mit COVID-19 versorgten, insgesamt jedoch nur einen Bettenanteil von 14 Prozent hatten (Grafik 1 ).

Auch bei der intensivmedizinischen Versorgung der COVID-19-Fälle zeigt sich ein überproportionaler Versorgungsanteil in den 171 Krankenhäusern mit 300 bis 399 Betten, die 16 Prozent der intensivmedizinisch versorgten Patienten behandelten, jedoch nur über einen Anteil von elf Prozent der Intensivbetten verfügten. Unterproportional klein waren demgegenüber insbesondere die Anteile in den Krankenhäusern mit bis 149 Betten, aber auch in den Krankenhäusern mit 800 und mehr Betten. Dabei wurden allerdings alle Fälle gleich gewichtet, das heißt unabhängig von ihrer Verweildauer, einer möglichen Beatmung und der Frage, ob die Patienten dort durchgehend therapiert werden konnten oder ob eine Weiterverlegung notwendig war. Der Anteil der Behandlungsfälle mit intensivmedizinischer Versorgung, die in ein anderes Krankenhaus verlegt wurden, lag in den großen Krankenhäusern mit mehr als 800 beziehungsweise mit 600 bis 799 Betten bei 16 Prozent beziehungsweise bei 13 Prozent und nahm mit abnehmender Krankenhausgröße zu. In Krankenhäusern mit bis zu 149 Betten lag der Anteil der intensivmedizinisch versorgten COVID-19-Fälle mit Verlegung in ein anderes Krankenhaus bei 23 Prozent. Bezogen auf alle COVID-19-Fälle war der Anteil der intensivmedizinisch versorgten Fälle in den 80 Krankenhäusern mit mehr als 800 Betten mit 26 Prozent (gemessen an den stationären Patienten in der jeweiligen Krankenhausgrößenkategorie) am höchsten und in den 538 Krankenhäusern mit bis zu 149 Betten mit 14 Prozent am geringsten.

Unter der Übersterblichkeit sind die Todesfälle in der gesamten Bevölkerung zu verstehen, die im Vergleich zu Vorperioden zusätzlich zu verzeichnen sind. Bis zum 30. September deckte sich die Übersterblichkeit ziemlich exakt mit der Zahl der an oder mit COVID-19 verstorbenen Personen. Für das Gesamtjahr ist dies nicht mehr so. Im Vergleich zu den vier Vorjahren lag die Übersterblichkeit 2020 bei etwa 50 000 Menschen. Demgegenüber betrug die Zahl der an oder mit COVID-19 Verstorbenen bis zum Jahresende rund 40 000. Der Großteil des unerklärten Unterschieds ist parallel zur zweiten Welle ab Mitte Oktober zu beobachten gewesen, insbesondere im Dezember und in Hochinzidenzgebieten wie Sachsen. Da die Todesursachen noch nicht veröffentlicht worden sind, steht nicht zweifelsfrei fest, ob die Übersterblichkeit durch zusätzliche, nicht als solche erkannte COVID-19-Tote bedingt sind – wofür einiges spricht – oder durch andere Todesursachen.

Bei praktisch allen Diagnosen, bei denen die vorliegenden Routinedaten eine Einteilung in „dringend(er)“ und „weniger dringend“ beziehungsweise „vermeidbar“ erlaubt, zeigt sich, dass der Rückgang der Behandlungsfälle bei Ersteren wesentlich weniger ausgeprägt war als bei Letzteren. Die Anzahl der wöchentlichen Aufnahmen aufgrund eines Herzinfarktes lag zwischen den Kalenderwochen 11 und 22 (9. März bis 31. Mai) um durchschnittlich 16 Prozent unter denen des Vorjahres. Zwischen den Kalenderwochen 23 und 41 (1. Juni bis 11. Oktober) waren die wöchentlichen Aufnahmen mit dem Vorjahreszeitraum vergleichbar. Zwischen den Kalenderwochen 42 und 50 (12. Oktober bis 13. Dezember) sanken die Aufnahmen im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich neun Prozent. Für das gesamte Jahr 2020 waren die Fallzahlrückgänge bei transmuralen Herzinfarkten (vorwiegend ST-Streckenhebungs-Herzinfarkt, STEMI) nur halb so hoch (minus vier Prozent) wie bei nichttransmuralen Herzinfarkten (Nicht-ST-Streckenhebungs-Herzinfarkt, NSTEMI, minus acht Prozent) (Grafik 2 ). Die Krankenhaussterblichkeit bei Behandlungsfällen mit der Hauptdiagnose Herzinfarkt war mit 8,2 Prozent im Jahr 2020 nur leicht höher als 2019 mit acht Prozent.

Bei Behandlungsfällen mit der Hauptdiagnose Schlaganfall zeigt sich ein Rückgang zwischen den Kalenderwochen 12 und 21 (16. März bis 24. Mai) um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Ab der 22. Kalenderwoche (25. bis 31. Mai) lag die Fallzahl durchschnittlich drei Prozent niedriger als im Vorjahr. Der Anteil der Schlaganfallpatienten, die auf einer Stroke Unit (im Sinne der OPS-Kodes für neurologische oder internistische Komplexbehandlung) versorgt wurden, lag sowohl im Jahr 2020 als auch im Jahr 2019 bei 60 Prozent. Insgesamt lag die Anzahl der Aufnahmen wegen Schlaganfall im Jahr 2020 um vier Prozent niedriger als im Vorjahr. Die Sterblichkeit lag mit neun Prozent etwas höher als 2019 mit 8,7 Prozent.

Die Anzahl der Magenresektionen infolge eines Karzinoms war 2020 gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent reduziert, während sich bei Speiseröhren- (plus vier Prozent) und Bauchspeicheldrüsenresektionen (plus zwei Prozent) leichte Zuwächse zeigten. Für Mammaresektionen bei Patientinnen mit Brustkrebs lag die Anzahl der wöchentlichen Aufnahmen in den Kalenderwochen 3 bis 14 (13. Januar bis 5. April) um durchschnittlich fünf Prozent über dem Vorjahresniveau. In den Kalenderwochen 15 bis 24 (6. April bis 14. Juni) war ein Rückgang um durchschnittlich 19 Prozent zu beobachten. Im weiteren Verlauf erreichten die Aufnahmen wieder das Vorjahresniveau, sodass der Rückgang gegenüber dem Jahr 2019 insgesamt nur bei drei Prozent lag.

Notfallaufnahmen – das heißt stationäre Aufnahmen ohne Einweisung – bei Kindern bis 14 Jahren waren im Vergleich zum Vorjahr in der Kalenderwoche 12 (16. bis 22. März) um 34 Prozent und in der Kalenderwoche 14 (30. März bis 5. April) sogar um 51 Prozent reduziert. Auch im weiteren Verlauf wurde das Vorjahresniveau nur einmal erreicht. Insgesamt wurden damit im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 21 Prozent weniger Notfallaufnahmen bei Kindern beobachtet.

Hinsichtlich der aktiven „Freihaltung“ von Krankenhausbetten standen bei Politik und Öffentlichkeit vor allem Erstimplantationen von Hüft- und Kniegelenksendoprothesen bei Kox- und Gonarthrose im Fokus. Zwischen den Kalenderwochen 12 und 21 (16. März bis 24. Mai) reduzierten sich die Fallzahlen dabei um durchschnittlich 55 Prozent bei den Hüft-TEPs und um 62 Prozent bei den Knie-TEPs. Im weiteren Verlauf stiegen die Fallzahlen wieder an. Zwischen den Kalenderwochen 22 und 34 (25. Mai bis 23. August) waren im Vergleich zum Vorjahr 16 Prozent mehr Hüft-TEPs und 15 Prozent mehr Knie-TEPs zu beobachten. Dies deutet darauf hin, dass in diesem Zeitraum die zuvor verschobenen Eingriffe teilweise nachgeholt wurden. Insgesamt reduzierten sich die Fallzahlen 2020 bei den Hüft-TEPs um neun Prozent und bei den Knie-TEPs um elf Prozent.

Ambulant-sensitive Krankenhausfälle gelten als potenziell vermeidbar, da sie adäquater im ambulanten Bereich behandelt werden können. Die OECD zählt dazu Diabetes, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, COPD und Asthma, jeweils als Hauptdiagnose. Bei der Hauptdiagnose Asthma gingen die Fallzahlen im Jahr 2020 um 29 Prozent zurück (Grafik 3 ). Krankenhausfälle mit der Hauptdiagnose COPD gingen um 26 Prozent zurück. Die Anzahl der wöchentlichen Aufnahmen mit der Hauptdiagnose Bluthochdruck reduzierte sich um 18 Prozent, die Anzahl der wöchentlichen Aufnahmen mit der Hauptdiagnose Diabetes reduzierte sich um 17 Prozent und diejenigen mit der Hauptdiagnose Herzinsuffizienz sank um zwölf Prozent. Das verdeutlicht, dass das Inanspruchnahmeverhalten eine deutlich größere Rolle als die Absage von Behandlungen durch die Krankenhäuser gespielt hat. Dass sich diese Entwicklung verstetigt, ist somit zumindest nicht unwahrscheinlich.

Prof. Dr. med. Reinhard Busse, Dr. PH Ulrike Nimptsch

Die Auswertungen wurden für den Beirat nach § 24 KHG zur Überprüfung der Auswirkungen der Regelungen des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes vorgenommen.

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