Lauterbach: Neuregelung im Gesundheitswesen – „Revolution“ im Krankenhaus-Sektor

2022-12-08 12:09:02 By : Mr. Tong Stephen

Das Fallpauschalen-System bringt deutschen Krankenhäusern offenbar lukrative Zusatzeinnahmen. Ein neues Gesetzespaket soll das und weitere Missstände beheben.

Berlin/München – Befinden sich zu viele Patienten zu lange Zeit in Krankenhäusern und verursachen daher unnötige Kosten? Karl Lauterbach sieht darin eines der größten Probleme im deutschen Gesundheitswesen und vollzieht daher eine umfassende Kursänderung der derzeit gültigen Praxis.

Im Kern der Problematik stehen die sogenannten Fallpauschalen, die je nach Diagnose für Krankenhäuser eine gerngesehene zusätzliche Einnahmequelle darstellen. Das geht mitunter zulasten von Krankenkassen, die unentwegt über steigende Kosten klagen und bei einer Änderung des bestehenden Systems eine Menge Geld sparen könnten.

Am Rande eines von der Ampelkoalition am Freitag vorgestellten Gesetzespakets klärte der Bundesgesundheitsminister über seine riesige Krankenhaus-Reform auf, die er bereits länger ankündigte: „Nicht mehr ökonomischer Zwang, sondern medizinische Notwendigkeit soll künftig in den Kliniken über die Behandlung entscheiden.“

Weniger unnötige Klinik-Übernachtungen ist einer der erwähnten Punkte, darüber hinaus gehe es um mehr Geld für die Kinderversorgung sowie Entlastungen für die Pflegekräfte. Insgesamt sollen sich deutsche Krankenhäuser stärker von wirtschaftlichem Druck lösen können, so die Absicht.

Mit dem am 2. Dezember im Bundestag beschlossenen Gesetz beginne „nicht weniger als eine Revolution“ bei der Finanzierung der Krankenhäuser, ließ SPD-Politiker Lauterbach wissen und betonte, dass man „das Gleichgewicht zwischen Medizin und Ökonomie verloren“ habe. Dabei verglich der 59-Jährige die derzeitige Situation in den medizinischen Einrichtungen mit Lebensmitteldiscountern.

Und darum geht es beim Thema Tagesbehandlungen: Bestimmte Untersuchungen in den Kliniken sollen künftig auch ohne Übernachtung möglich sein – und so von den Krankenhäusern abgerechnet werden. Wunschgemäß soll dies tagsüber mehr Kapazitäten beim knappen Pflegepersonal schaffen, wenn weniger Nachtschichten besetzt werden müssen. Möglich sein sollen diese Tagesbehandlungen nur mit Patienten-Einwilligung. Für komplexe oder risikoreiche Behandlungen soll die Lösung in allerdings nicht in Betracht kommen.

Vonseiten der Opposition folgt auf die Pläne Kritik. Unions-Gesundheitsexperte Tino Sorge sprach von einem „Krankenhaus-Belastungsgesetz“ und dass mit starren Personalvorgaben den Pflegekräften erneut Daumenschrauben angesetzt würden. Auch im Pflegesektor herrscht Skepsis.

Bei dem am Freitag präsentierten Gesetzespaket handele es sich laut Ministerium um eine erste „kleine“ Krankenhausreform – am nächsten Dienstag wolle Karl Lauterbach eine noch weitreichendere vorstellen. Erklärtes Ziel: die „Überwindung“ des generellen Finanzierungssystems über Pauschalen für Behandlungsfälle.

Dieses habe sich mittlerweile so verselbstständigt, dass es zulasten der Qualität bei den Versorgungen gehe, erklärte der in Köln lebende Sozialdemokrat schon zuletzt. Schuld daran sei ein „Hamsterrad-Effekt“: Nur mit einer Steigerung der Fallzahl würden Kliniken das Budget halten oder erhöhen können. Daraus resultiere ein Gewinn für jene Kliniken, die für ihre Leistungen möglichst wenig Geld ausgeben – wohingegen jene Einrichtungen finanziell bestraft würden, die höhere Ausgaben tätigen.

Werden die durch das Bundesgesundheitsministerium vorangetriebenen Maßnahmen im deutschen Gesundheitswesen Besserung mit sich bringen? Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates ist skeptisch. Christine Vogler wird von Bild.de zitiert: „Unsere Pflegekräfte sind vollkommen überarbeitet. Daran ändert sich rein gar nichts, wenn fitte Patienten zu Hause schlafen. Denn die rufen nicht andauernd den Nachtdienst. Wichtiger ist, dass wir nicht mehr mit ausbeuterischen Personaluntergrenzen auf den Stationen arbeiten.“ (PF)