RSV und Grippewelle in Hamburg: Kaum Krankenhausbetten für Kinder - Hamburger Abendblatt

2022-12-08 12:06:06 By : Ms. annie wang

RS-Viren und die frühe Grippewelle 2022 auch bei Kindern: In Hamburg und bundesweit ist die Situation auf den Intensivstationen der Kinderkliniken angespannt. Geplante Operationen müssen verschoben werden, sogar bei Tumorpatienten, berichtet die Intensivärzte-Vereinigung DIVI.

Ärzte schlagen in Hamburg Alarm: Situation in Notaufnahmen und Intensivstationen dramatisch. Minister Karl Lauterbach reagiert.

Hamburg.  Kinder mit RSV, eine regelrechte Epidemie an Atemwegserkrankungen und die frühe Grippewelle im Jahr 2022 sorgen für eine katastrophale Situation in den Praxen der Kinderärzte und in den Kinderkrankenhäusern. Wie die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) am Donnerstag bei ihrem Kongress in Hamburg erklärte, seien nach einer Umfrage unter 110 Kliniken aktuell vier von zehn Betten für intensivpflichtige Kinder gesperrt. Das habe nicht nur mit der derzeit hohen Zahl an kranken Kindern zu tun, sondern generell mit der Pflegesituation. Divi-Generalsekretär Prof. Florian Hoffmann sagte: „Man muss entscheiden, welches Kind operiert wird. Wenn man immer über dem Limit fährt, nagt das an der Qualität.“

Kinder „konkurrierten“ um einen Bettenplatz. Sie würden zwischen Krankenhäusern hin- und hergefahren. „Jede zweite Klinik musste in den letzten 24 Stunden ein Kind ablehnen“, so Hoffmann. Sogar in der Notaufnahme würden Kinder mit Sauerstoff behandelt, weil man sich nicht anders zu helfen weiß.

RS-Viren (Respiratorische Synzytialviren) sind einer der häufigsten Erreger von akuten Erkrankungen der Atemwege bei Säuglingen und kleinen Kindern. Wie das Abendblatt berichtete, betreffen sie in Hamburg auch größere Kinder.

Einige Kinder brauchen zusätzliche Beatmung über eine Sauerstoffbrille. Die RSV-Saison beginnt normalerweise im November. In diesem Jahr begann sie wie die Influenza erheblich früher.

Divi-Vertreter Dr. Michael Sasse (Medizinische Hochschule Hannover) sagte in Hamburg: „Jetzt werden drei Jahrgänge von Kindern diese Infekte durchmachen müssen.“ Grund seien die Hygienemaßnahmen während der Corona-Pandemie, die dazu geführt hätten, dass Infekte und Infektionen ausgefallen seien. Sasse sagte: „Kinder liegen auf der Normalstation, die eigentlich intensiv behandelt werden müssten. In Deutschland sterben Kinder, weil sie nicht adäquat behandelt werden können.“

Divi-Kongresspräsident Prof. Sebastian Brenner erklärte: „Es gibt ein irres Patientenaufkommen. Pflegekräfte und Ärzte fehlen.“ Wie berichtet, ist die Situation in der Pflege dramatisch. Auch in Hamburg sind vier von zehn Intensivbetten generell gesperrt. Das liegt vor allem an der geringen Zahl verfügbarer Pflegekräfte. Nach Divi-Angaben gebe es zudem zu wenige Ärztinnen und Ärzte für die Versorgung der Kinder. Die Intensivmediziner beklagen eine zu geringe Bezahlung der Pflegekräfte, eine Fehlorientierung in ihrer Ausbildung und die schlechten Arbeitsbedingungen. Diese hätten bereits dazu geführt, dass man Mitarbeiter aus dem Frühdienst nach Hause schicke, um sie abends für einen zweiten Teil der Schicht wieder einzubestellen.

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Hoffmann sagte: „Bei Polizei und Feuerwehr hat man gesehen, dass die Mitarbeiter nach einem Einsatz Hilfe brauchen. Auch in der Medizin müssen wir uns eingestehen, dass das so ist.“ Er ermahnte die Politik und vor allem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), wie versprochen das System der Fallpauschalen (DRG, Diagnosis-related Groups) abzuschaffen. Dabei gibt es für eine bestimmte Behandlung immer dieselbe Kostenerstattung von der Krankenkasse. Gerade in der Kindermedizin gebe es „Vorhaltekosten“, die nicht bezahlt würden, also Personal und Infrastruktur, die bereitstehen müsse für Patienten, die plötzlich Hilfe brauchen.

Diese Situation sei längst eingetreten, die aktuelle Lage sei nur Ausdruck eines Trends. Hoffmann sprach sich dafür aus, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Dann könnten Eltern und Verantwortliche daraus Forderungen für eine kindergerechte medizinische Versorgung ableiten.

Lauterbach sagte am Donnerstagmittag: „Die Nachrichten, die uns von den überfüllten Kinderpraxen und Stationen erreichen, besorgen mich zutiefst. Wir werden mit einer Situation konfrontiert, wo in Deutschland weniger als 100 verfügbare Intensivbetten zur Verfügung stehen.“ Sein Haus habe fünf Maßnahmen ergriffen. Dazu zählte:

Lauterbach bat die Eltern und Kinderärzte, die anstehenden Vorsorgeuntersuchungen um „wenige Wochen zu verschieben“. Und er riet: „Bei Erkältungssymptomen bitte Masken tragen! Kinder unter zwei Jahren könnten schwer erkranken.“ Er appellierte an die Krankenhäuser, planbare Eingriffe zu verschieben. „Die Kinder brauchen jetzt unsere volle Aufmerksamkeit.“

Die hohe Zahl an Kindern mit RSV führe dazu, dass die Wartezeiten sich auch in den Notaufnahmen verlängerten, sagte eine Sprecherin des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift der dpa. Von Ende Oktober bis Ende November seien im Wilhelmstift mehr als 4900 Kinder behandelt worden. Das sei eine Verdoppelung. „Teilweise haben wir kein freies Bett für ein krankes Kind und versuchen dann, in andere Kinderkliniken zu verlegen“, sagte die Sprecherin. „Einen geringen Anteil an Kindern nehmen wir stationär zur weiteren Beobachtung auf.“ Im UKE ist nach Angaben von Prof. Jun Oh, Vize-Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, die Lage nicht so dramatisch wie in anderen Bundesländern.

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